Anna Depenbusch

Trotz neuer Aufnahmetechnik und neuem Albumkonzept– eines hat sich bei Anna Depenbusch jedoch nicht geändert: die eindringliche Qualität ihrer Songs.

Wer die Karriere von Anna Depenbusch verfolgt hat, weiß, dass sie immer wieder Akustikversionen von Studioalben aufgenommen hat, die sie zuvor bereits mit Band produziert hatte. So erschienen von "Die Mathematik der Anna Depenbusch“ (2011) und auch von ihrem letzten Studioalbum, "Das Alphabet der Anna Depenbusch“ (2017), bezaubernde Klavier-Versionen, denen sie im Albumtitel jeweils den Zusatz „… in Schwarz-Weiß“ zugefügt hat – eine Anspielung zum einen auf die minimalistischen Arrangements und natürlich auf die schwarzen und weißen Tasten des Klaviers. Denn die Akustikversionen hat die Songwriterin, Sängerin und Musikerin nur begleitet von ihrem eigenen Spiel am Flügel aufgenommen.

"Echtzeit“, das fünfte Album der Künstlerin (die Akustikversionen nicht mitgezählt), markiert nun einen bewussten Bruch mit diesem Konzept: Denn Anna Depenbusch hat die elf neuen Lieder dieses Mal sofort akustisch aufgenommen – wieder nur allein am Klavier. Und nicht nur das: In den legendären Emil-Berliner-Studios in Berlin hat die Künstlerin ein ganz besonderes Aufnahmeverfahren genutzt, bei dem zwei LP-Seiten von jeweils knapp 20 Minuten Länge ohne Unterbrechung und ohne die Möglichkeit späterer Korrekturen direkt auf eine sogenannte Master-Vinylplatte gepresst werden, von der dann wiederum die späteren LPs und CDs für den Handel erstellt werden.

Diese Produktionsweise erfordert eine hohe nervliche Anspannung, vom handwerklichen Vermögen ganz schweigen. Doch wie man auf dem fertigen Album hören kann, ist der Künstlerin das mehr als geglückt. Die so entstandenen Aufnahmen haben eine unglaubliche Intensität und Intimität, man meint, mit Anna Depenbusch direkt im Studio zu stehen und ihr bei der Session unmittelbar zuhören zu können.

All diese Neuerungen haben auch damit zu tun, dass Depenbusch ihr eigenes Label gegründet hat (das den schönen wie passenden Namen Liedland trägt), nachdem sie in zuvor bei einer Major-Firma unter Vertrag stand. Sie wolle ihre "kreativen Freiheiten noch mehr ausleben“, erzählt die Sängerin. Dafür habe sie das alte Konzept aufgebrochen und sei nun "bei den Tasten angekommen“. Und trotz dieser schwarz-weißen Beschränkung wolle sie schauen, "wie viel Farben“ sie in so ein Klavierprogramm hineinbekomme. Auch das ist ihr gelungen, wenn man sich die neuen, meisterhaften Songs anhört. Denn die ganzen produktionstechnischen Freiheiten und auch die wirtschaftliche Unabhängigkeit würden nichts bedeuten, wenn dabei die künstlerische Leistung auf der Strecke geblieben wäre.

Doch davon kann auf "Echtzeit“ überhaupt keine Rede sein. Die neuen Stücke gehören zu den besten, die die 42-jährige bislang aufgenommen hat. Nicht nur mit der eindringlichen wie raffinierten Musik, die sich wieder in einem weiten Spannungsfeld zwischen Pop, Chanson und Liedermacher bewegt, sondern auch mit den Texten erreicht Depenbusch neue Höhen.

Die für ihre Texte bereits mit dem renommierten Fred Jay Preis und dem Deutschen Chanson Preis ausgezeichnete Songwriterin hat sich auch auf "Echzeit“ wieder die vermeintlichen Beiläufigkeiten des Alltags vorgenommen, um daraus ein poetisches und anspielungsreiches Songnetz zu knüpfen.

"Mich berühren besonders die flüchtigen Zwischenmenschlichkeiten.

Das große Gefühl im kleinen Moment, der Zauber des Alltäglichen“, erklärt sie. Und man kann dabei an Songs wie "Alte Schule“ denken, bei dem es um Entschleunigung in einer sich immer schneller drehenden Welt geht. Aber auch Liebeslieder finden sich natürlich auf dem neuen Album, mal um die bedingungslose Liebe ("Bin dabei“) oder das Ende derselben ("Beste Lüge“).

Wer solche Songs schreiben und sie so perfekt umsetzen kann, dem stehen im Grunde alle Möglichkeiten offen, diese auf Tonträger zu bannen. Unser Glück ist, dass Anna Depenbusch als Solistin auf "Echtzeit“ die bestmögliche für sich und ihre Songs gefunden hat.