Tagebuch

"Anders immer anders"

    Das Berliner Duo Tagebuch dürfte mit seinem Mix aus Pop, Chanson und kammermusikalischem Ansatz einzigartig in der deutschen Musiklandschaft sein.

    Gerade für Newcomer ist es während der Corona-Krise besonders schwer, auf sich aufmerksam zu machen. Denn Konzerte sind weitestgehend untersagt, sodass vor allem die sozialen Medien übrigbleiben, um sich Gehör zu verschaffen. Für das 2017 gegründete Duo Tagebuch sind YouTube, Facebook, Instagram & Co. jedoch keine Unbekannten - im Gegenteil. Denn zuletzt war es das Netz, wo die 28-jährige Carmen Eder aus Wien und der 49-jährige Gerhard Schmitt aus dem badischen Lahr mit einigen liebevoll poetischen Videos aufgefallen sind und sich eine kleine Fangemeinde erarbeitet haben.

    Auch haben Clips der beiden inzwischen in Berlin lebenden Tagebuch-Mitglieder wie etwa jener zu "Halbes Herz", der mit assoziationsreichen Bildern eine vieldeutige Geschichte erzählt, neugierig gemacht auf das nun erschienene Debütalbum "Anders immer anders". Hier finden sich 15 meisterhaft komponierte Songs, mit denen Tagebuch die Erwartungen, die man an das Duo hatte, nicht nur erfüllen, sondern sie sogar übertreffen. Denn die Musik von Tagebuch ist in der Tat etwas ganz Eigenes.

    Der Mix aus zu Herzen gehenden Balladen, Singer/Songwriter-Intimität, Pop-Melodien, Chanson-Aura, Folk-Feeling, rockigen Anklängen, kammermusikalischen Arrangements und einigem mehr dürfte in der aktuellen deutschen Musiklandschaft einzigartig sein. Selbst Vergleiche mit Bands wie den ähnlich emotionalen Klee oder diversen Gruppen mit Sängerin wie Wir sind Helden oder Juli verlaufen letztlich im Sande, dafür haben Tagebuch einfach eine zu starke eigene Identität. Das mag auch an den unterschiedlichen Lebensläufen der beiden Mitglieder liegen.

    Während Carmen Eder neben einem Logopädie-Studium auf Gesangsunterreicht bei Pop- und Jazz-Lehrern sowie eine Musical-Ausbildung in New York zurückblicken kann, ist es bei ihrem Partner eine bewegte Musikerkarriere als Multi-Instrumentalist in verschiedenen Bands (darunter seine renommierte Formation trondheym), mit Künstlern wie Konstantin Wecker sowie Theater- und Showproduktionen wie der Blue Man Group.

    Diese beiden Charaktere, aber vor allem ihre musikalischen Fähigkeiten ergänzen sich bei Tagebuch perfekt. Das Album ist dabei trotz einiger flotter Nummern wie dem dynamischen "Wie geht das mit dem Leben" oder dem "Champs Elysées"-haften Jazz-Swing von "Du hattest deinen Frühling" eher ruhig, verhalten und introspektiv ausgefallen. Oft reichen ein paar Gitarren, ergänzt ab und an durch ein paar Streicher oder eine Pedal Steel Guitar und eine Mandoline, um eine besinnliche Atmosphäre zu schaffen, bei der man sich in die nachdenklichen, bisweilen melancholischen Texte von Carmen Eder vertiefen kann. So singt sie über "Unterwasserbäume" oder beschwört in "Zauberer" die Macht der Liebe, die einen auch durch dunkle Zeiten helfen kann.

    Es geht mitunter um ernste Themen wie die Gefährdung und Bestärkung des Zwischenmenschlichen, aber auch um das Leben an sich, wobei Selbstzweifel genauso wie Hoffnung in die Waagschale geworfen werden. Zu den schönsten Liedern gehören dabei das romantische "Stadt der Niemande" und das kraftgebende "Ein Jahr mehr Leben" mit der so wahren Zeile "Wir haben viel, wir müssen es nur besser sehen". Das gilt dann auch für eine Band wie Tagebuch: Es gibt in Deutschland so viele großartige neue Künstler, man muss sie nur sehen.

     

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